Welcher Schützentyp bin ich?
Wie erkennt man den gut trainierten Schützen, und welche Schützentypen gibt es? Mit welchen Trainings können wir uns auf die Bewegungsjagd vorbereiten, und wie können wir unsere Schiessleistung verbessern? Berufsjäger Gianni Parpan weiss Rat.
Text: Gianni Parpan | Fotos: Gianni Parpan, Karl-Heinz Volkmar, Rafal Lapinski
In Zeiten der bevorstehenden Afrikanischen Schweinepest, den steigenden Rotwildbeständen und der damit einhergehenden weiteren Ausbreitung dieser Art in der Schweiz, den zum Teil hohen Wildschäden in der Wald- und Landwirtschaft und damit bedingt der nötigen, effektiven Regulierung unserer Schalenwildbestände, nehmen die Anforderungen an Drückjagden in der Schweiz, aber auch in unseren Nachbarländern enorm zu. Der alte Trend «viele Schützen = viel Strecke» ist zum Glück vielerorts gebrochen. Etliche Jagdleiter haben das Problem bereits erkannt, optimieren ihre Gesellschaftsjagden und Jagdabläufe und setzen verstärkt auf gute Stöberhunde in Kombination mit gut trainierten Schützen.
Durch meine Tätigkeit als selbständiger Berufsjäger bin ich von Anfang Oktober bis Ende Januar auf ca. 35 Drückjagden im Jahr in verschiedensten Funktionen tätig, z.B. als Jagdleiter oder als Nachsuchenführer, als Hundeführer im Treiben, als Treiberchef oder als Standschnaller, je nachdem was der Kunde wünscht oder wo er Bedarf hat. Ganz selten, meistens privat, bin ich einfach nur als Schütze im Einsatz. Aber ganz egal, ob ich privat als Schütze oder geschäftlich als Jagdleiter tätig bin, mir ist aufgefallen, dass immer dieselben Jäger über die Jahre hinweg gute Strecke machen, meist Mehrfach-Abschüsse, und immer dieselben Schützen oft leer ausgehen oder vereinzelt mal ein Stück erlegen. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Muster auch bei den Gesellschaftsjagden, an welchen man selber teilnimmt, beobachten lässt.
Erstaunliche Feldversuche
Als Jagdleiter bin ich jeweils in der Situation, dass ich zusammen mit dem Obmann der Jagdgesellschaft bzw. mit dem Jagdherrn für die Standverteilung zuständig bin. Also fing ich versuchsweise an, sichere Schützen, die immer gute Strecke machen, auf Stände zu bringen, wo oft viel gesehen, aber kaum was erlegt wurde. Und die sogenannten «Bringerstände», wo das meiste Wild erlegt wurde, mit Schützen zu besetzen, die schon viele Jahre mitjagen, selten oder nie Strecke machen, aber immer ein volles Standprotokoll mit Beobachtungen hatten.
Erstaunlicherweise hatte dies, trotz anfänglicher Bedenken, kaum Einfluss auf die Strecke. Diese wurde lediglich auf andere Stände und Revierteile verteilt. Egal, ob ich dies nun in Bayern, Baden-Württemberg, in Tschechien oder in Schweizer Revierkantonen umsetzte. Am Streckenplatz konnte ich wieder den üblichen Schützen mehrere Brüche überreichen. Andere hatten wieder volle Standprotokolle mit Beobachtungen, aber kaum was zur Strecke beigetragen.
Interessanterweise konnte ich länderübergreifend feststellen, dass weder die Erfahrung der Schützen, noch die körperliche Fitness, das Alter oder das Geschlecht der Jäger eine Rolle spielten. Viel mehr waren bei den «Strecke-Bringer-Schützen» folgende Gemeinsamkeiten festzustellen:
• sicheres, schnelles Ansprechen
• Selbstvertrauen
• Selbstbeherrschung und Geduld
• hohes Trainingsniveau
• Beutewille ja, aber nicht um jeden Preis
Wenn ich die Schützen einer Drückjagdgesellschaft schubladisieren müsste, würde ich sie nicht wie oben benannt in «Strecke-Bringer-Schützen» und in «Standbesetzer» einteilen. Der aufmerksame Beobachter erkennt beim dynamischen Kugelschuss durchaus mehrere Schützentypen. Es ist auch nicht so, dass man ein Jägerleben lang in derselben Schublade steckt, sondern sich durch Fleiss, Training, durch die Freigabe und mentale Einstellungswechsel durchaus verändern kann.
Die Schützen-TypenDer Konservative Der Unsichere Der Untrainierte Der Blockierte Der Zögerliche Der Unbeherrschte Der Solide Der Profi |
Welche Faktoren bestimmen den Erfolg?
Es gibt Faktoren, die sind vom Schützen beeinflussbar. Es sind dies die körperliche Fitness, die Tagesform, die Schiessfähigkeiten, die mentale Einstellung, sowie die verwendete Waffe, Optik und Munition. Bei diesen Punkten können wir Einfluss nehmen, uns verbessern und optimieren.
In anderen Punkten, wie dem Wetter, dem zugeteilten Drückjagdstand, den jagdlichen Situationen und Chancen oder der Freigabe, hat der Schütze keinen oder zumindest keinen unmittelbaren Einfluss. Konzentrieren wir uns also auf die ersten beiden Punkte, die in unserer Hand liegen: die körperliche Tagesform und unsere Schiessfähigkeiten.
Die körperliche Tagesform, d.h. die optimale Funktion unserer Muskulatur und unseres Gehirns, egal ob auf der Jagd oder in einem anderen Lebensbereich, hängt von vier wesentlichen Dingen ab: Sauerstoff, Zucker, Flüssigkeit und Wärme. Oft stockt dem Schützen der Atem vor lauter Jagdfieber, wenn z.B. das laute Rascheln des Laubes eine Rotte Sauen ankündet, die direkt auf seinen Stand zieht. Und gerade hier wäre eine optimale Atmung, sprich Sauerstoffversorgung des Gehirns, für den perfekten dynamischen Kugelschuss bei höchster Konzentration nötig. Atmet bewusst tief durch die Nase ein – und durch den Mund aus, selbst bei der Schussabgabe wird der Atem nicht angehalten! Im Idealfall bricht der Schuss, wenn ca. 2/3 der Luft unseres Atemzugs durch den Mund ausgeatmet wurde. Dieses Ausatmen sollte auf die ganze Mitschwingbewegung der Waffe, respektive des Oberkörpers gleichmässig verteilt werden. Zur körperlichen Fitness gehört natürlich auch, dass man genug geschlafen hat und erholt zur Drückjagd erscheint. Auch auf Alkohol am Vorabend sollte verzichtet werden, am Jagdtag selber sowieso, dies ist selbst erklärend.
Flüssigkeit und Zucker
Auch auf der Jagd ist eine optimale Flüssigkeitszufuhr eminent wichtig. Ich empfehle jedem, während des ganzen Tages ausreichend Flüssigkeit zu sich zunehmen. Ob Süssgetränk, Wasser oder Tee ist jedem selbst überlassen, Hauptsache man trinkt genug. Um bei längeren Treiben nicht in ein «Zuckerloch» zu fallen, lohnt es sich, ein Schoggistängeli dabei zu haben. Manchmal reicht auch schon ein Kaugummi oder ein Hustenbonbon, welches uns auch bei einem Kratzen im Hals helfen kann, unsere Geräuschkulisse tief zu halten.
Wärme
Gerade an kalten Drückjagdtagen ist die Thermoregulation etwas vom wichtigsten. Wer beim Sammelplatz schon friert, beispielsweise wegen der langen Wartezeiten bei der Jagdscheinkontrolle, dem wird auch anschliessend auf dem Stand kaum mehr warm werden. Unsere Muskulatur sollte fürs dynamische Schiessen warm und geschmeidig sein. Dazu wärmen wir uns auf dem Stand z.B. durch Probeanschläge oder leichte Aufwärm- und Auflockerungsbewegungen dezent und geräuscharm auf. Zudem ziehen wir uns richtig an, im Zwiebelprinzip; gut sichtbar, ausreichend warm, weit und bewegungsfreundlich, funktionell und atmungsaktiv, sowie «wind- und wetterfest». Gerade unseren Füssen sollten wir ein grosses Augenmerk schenken. Hat man kalte Füsse, friert man oft am ganzen Körper. Kalt und steif gefroren, können wir nicht mehr unsere optimale Schiessleistung abrufen. Ich persönlich bevorzuge mittlerweile den guten Winterbergschuh gegenüber dem schweren Winterstiefel. Nur schon das Profil des Bergschuhs bringt viele Vorteile, z.B. beim Bergen von Wild oder beim Besteigen des Standes. Einige meiner Berufskollegen nehmen sogar einen kleinen Teppich mit auf den Stand. Dieser isoliert gut von unten und bietet besten Halt bei Drehbewegungen.
Schiessfertigkeiten
Natürlich können wir auch die eigene Schiessfähigkeit beeinflussen. Sie lässt sich gut daheim «kalt» trainieren. Sei es das Repetieren mit Pufferpatronen, die Verinnerlichung des Gefühls für den Abzug, das Trainieren des Schwungverhaltens, die Koordination der Atmung, quasi die Förderung der Auge-Hand-Koordination und des Muskelgedächtnisses. Noch besser und natürlich auch zwingend ist das «heisse» Training. Die laufende Keiler-Scheibe eignet sich dafür gut, um die Anschlagtechnik im scharfen Schuss zu trainieren. Zudem kann hier auch die Präzision und der gesamte Schussablauf kontrolliert werden, da hier die Rahmenbedingungen vorhersehbar, konstant und beliebig oft wiederholbar sind. Besonders empfehlenswert ist das Schiesstraining im Schiess- oder Jagdkino. Dieses eignet sich noch besser, um Schnelligkeit, Ansprechverhalten, intuitives Zielen, Muskelgedächtnis, Atmung, Waffenhandhabung und Magazinwechsel unter Stresseinfluss, sowie den Umgang mit ständig wechselnden Bedingungen für das flüssige Schiessen zu trainieren. Zudem können persönliche Grenzen ohne Tierleid ausgelotet und erkannt werden!
Egal in welcher Schublade Sie sich selber einordnen, das stetige Trainieren mit der eignen Waffe im dynamischen Kugelschuss ist das A und O. Ich sage immer: Schiessen ist wie Fahrrad fahren, wenn du es einmal gemacht hast, weisst du, wie es geht. Willst du aber richtig gut werden, z.B. um bei der Tour de France mitzufahren, musst du hart und viel trainieren. Genauso ist es beim jagdlichen Schiessen. Der Jagdleiter, das eigene Ego und nicht zuletzt die beschossene Kreatur werden es von Herzen danken.
Der Autor
Gianni Parpan ist gelernter Berufsjäger und Inhaber von prowaidwerk.ch, professional hunting services.